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Kawasaki KVF 360 4x2/4x4

Zwei ungleiche Schwestern

Nach der Einführung der KVF 360 4x4 als Ersatz für die KVF Modelle 300 und 400 4x4 bringt Kawasaki hierzulande nun auch die 4x2 Variante der 360ziger an den Mann und die Frau. Was Frau und Mann dazu meinen: hier die Antworten.

Auf den ersten Blick unterscheiden sich unsere beiden Testkandidaten bei ihrer Ankunft im 7,5-Tonner nur in Farbe und dem fehlenden 4x4 Schriftzug an der Sitzbank. Beim Ablassen auf der Hebebühne ist dann schon der markanteste Unterschied zu sehen. Der Kardanstrang nach vorne bei der 4x4 und die gähnende Leere bei der 4x2 Version sowie der vorhandene oder eben nicht vorhandene Kippschalter für den zuschaltbaren 4x4 und Differential-Sperr-Hebel für die Zuschaltung der Off Road Gangart. Nach dem Auftanken dann „Ladies and Gentleman start your Engines“.

„Echt Cool (...)“

Die E-Starter drehen kurz und munter blubbern die Eintopf-Triebwerke vor sich hin. Wahlweise ist auch die Möglichkeit des eher körperbetonten Anwerfens der 362 ccm starken 4-Takter per Seilzug gegeben. Das haben wir nur einmal, am noch kühlen Morgen, mit Erfolg ausgetestet. Es verspricht ein heißer Testtag mit Temperaturen von mehr als 30 Grad im Schatten zu werden. So sind wir froh, dass die Motoren unserer KVF Modelle zusätzlich mit einem Ölkühler ausgestattet sind. Ein Ventilator trägt ebenfalls zur Temperaturminderung bei. Positiv fällt uns bei dem mehrmaligen Abstellen der Motoren während späterer Testpausen auf, dass die Ventilatoren und der Rest des Kühlsystems weiterarbeiten bis eine entsprechende Temperatur erreicht ist und das, obwohl die Zündung auf Off steht. So wird optimal ein Hitzestau der heiß gefahrenen Triebwerke verhindert.

 

Platzgenommen auf den langen und bequemen Sitzbänken – die sind wirklich mal lang genug für die mögliche Zweipersonenzulassung - liegen alle bedienbaren Schalter und Hebel gut übersichtlich und erreichbar für die Hände am Lenker. Gut erreichbar auch der leicht zu bedienende Fahrstufenknauf für Vorwärts in High und Low sowie Rückwärtsgang. Die 4x4 Version weist rechts am Lenker noch zusätzlich den Wahlhebel für den bei jeder Geschwindigkeit zuschaltbaren 4x4 auf. Dieser ist leider nur im Stillstand wieder abschaltbar. Der gelbe Seilzughebel für die fast 100%ig wirkende Differentialsperre vorne liegt ein wenig außer Reichweite. Dies verhindert jedoch eine unbeabsichtigte Aktivierung derselben. Er muss lediglich nach dem Gebrauch wieder losgelassen werden, um in den einfachen 4x4 Antrieb zurückzukehren. Anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig, hat man bei der KVF 360 4x4 jedoch nach wenigen Benutzungsvorgängen den Dreh, pardon, den Zug schnell raus. Der Tacho ist, sobald die Zündung auf On steht, ständig bei beiden beleuchtet. Auch das hat uns gut gefallen. Gerade bei den später folgenden Fahrten im Wald, wo sich Licht und Schatten beständig abwechseln, stellt die Sichtkontrolle über die Geschwindigkeit kein Problem dar. Der Fußraum ist bei beiden Modellen mit durchgehenden Blechen geschützt. Groß genug dimensioniert, sodass Fahrer und Sozia bequem und mit gutem Halt Platz haben.

 

Der neue Motor

Einige von unseren Tester haben noch das Vorgängermodell KVF 400 mit permanenten Allradantrieb in Erinnerung. Die Erwartungen an den neuen Motor im neuen Modell KVF 360, zu dessen Gunsten die 400ter ja eigentlich ausgemustert wurde, sind also groß. Und so enttäuscht die 360ziger gerade diese Tester doch ein wenig auf den ersten paar Metern was Beschleunigung und Elastizität angeht. Der Motor zieht zwar aus dem Stand vielversprechend an, kann jedoch diese Elastizität im mittleren bis oberen Drehzahlbereich nicht mehr halten. Er wirkt ein wenig schwach auf der Brust, was nicht von ungefähr kommt. Muss doch jedes Ps, der 21 zur Verfügung stehenden, knapp 12,60 kg des Gesamtgewichts stemmen. Zum Vergleich liegt die KVF 650 bei nur rund 6,50 kg pro Ps. Die Motorcharakteristik reicht leider dem schon erwähnten 400er nicht das Wasser. So ist dann auch die gemessene Höchstgeschwindigkeit von knappen 75 km/h nicht verwunderlich gegenüber 90 möglichen km/h des Vorgängers.

Die 4x2 Version hängt ein wenig agiler am Gas, bedingt durch ihr geringeres Gewicht.. Bei Sprintwettkämpfen aus dem Stand, unabhängig vom Fahrer und seinem Eigengewicht,  hat unsere rote 4x2 immer die Nase vorne. Gerade sie vermittelt im direktem Vergleich den eindeutig größeren Fahrspaß.

Unser einziger weiblicher Tester hingegen ist zufrieden mit dem Motor der Kawis. Gut kontrollier- und dosierbare Leistung. Nicht zu schnell und auch nicht zu langsam. Genau richtig. Tendenz aber deutlich Richtung 2x4.

Bei dem Punkt leichtgängige Lenkung und einfaches Handling sind sich dann alle wieder einig, die Lenkung ist exakt und die KVFs fahren sofort dorthin, wohin man mit dem Lenker zielt. Alle unsere Tester bescheinigen den beiden KVF- Modellen eine vorbildliche Sitzposition, die lange Ausfahrten mühelos bestehen lässt. Ein  Aufwärmeffekt durch Motorwärmeabstrahlung bei der Sitzbank bleibt aus. Gerade das ausgewogene Federungsprogramm trägt mit zum hohen Fahrkomfort  bei . Einzelradaufhängung vorne mit zwei MacPherson Dämpfern, die allerdings nicht verstellbar sind und hinten eine Schwinge und einstellbarem Einzelstoßdämpfer an der Starrachse. Kleinere, überschaubare Sprünge machen besonders mit der vorne leichteren 4x2 Spaß. Die Federung fängt derlei Stöße problemlos auf, ohne sie direkt an den Fahrer weiterzugeben.

Auffällig hier in diesem Zusammenhang die stimmige Reifenwahl von Kawasaki. Die schlauchlosen Pneus von Dunlop mit den Größen 25x8-12 vorne und 25x10-12 hinten vermitteln On wie Off Road beste Fahreigenschaften. Auch in schnell gefahren Kurven mit Asphaltbelag zeigen sich keine Schwächen. Die ATVs driften nicht über die Noppen auf den Kurvenrand hin zu. Das Profil hält was es verspricht.

Off Road – alles wieder gut

Da auf schwierigen Off Road Passagen weniger die Geschwindigkeit als Bodenfreiheit, 4x4 und optimale Reifenwahl usw. gefragt ist, punktet vor allem die KVF 360 4x4 , wie zu erwarten war, wesentlich besser. Beide Modelle sind mit einer Low Untersetzung für Zugarbeiten bis zu 500 kg gebremste Anhängelast oder Trial mäßige Fahreinsätze ausgerüstet. So erklimmen sie unter trockenen Bedingungen auch steilere Passagen im 4x2 Antrieb. Sobald der Faktor Feuchtigkeit hinkommt und die Steigung zunimmt, kann die 4x2 Version nicht mehr mithalten. Zwar ist es erstaunlich, wohin ein geübter und erfahrener Pilot das ATV noch bringt, doch die sichere Alternative und das gerade mit Gepäck oder während eines Arbeitseinsatz im Anhängebetrieb bleibt klar der 4x4 Version vorbehalten. Souverän bringt jetzt der 360ziger Motor Fahrer und Gefährt sicher ans Ziel. Vergessen die für manche von uns mäßige Elastizität des Motors im Straßenbetrieb. Auf steilen bergab Einlagen zeigen die drei vorhandenen Scheibenbremsen an den KVF Modellen ihr Verzögerungspotential. Die schon von der 650ziger bekannte, zuverlässige und gekapselte Ölbad-Mehrscheibenbremse an der Hinterachse tut auch hier gute Dienste. Die Bremsleistung lässt sich über Hand- und Fußbremse gut dosieren und zeigt sich auch im härtesten Einsatz nie überfordert. Hinzu kommt noch die ausgezeichnete Motorbremscharakteristik. Getestet haben wir sie bei einer Neigung von fast 35 Grad . Bis in Geschwindigkeiten von weit unter 2 km/h bleibt sie wirkungsvoll im Einsatz. In Kombination mit der Low Fahrstufe bedarf es daher bei solcher Neigung kaum der Bedienung der manuellen Bremseinheiten.

Dank dem hoch gelegenen Lufteinlass in Tanknähe sind Wasserdurchfahrten bis Unterkante Sitzbank kein Problem. Die 4x4 Version tut sich auch hier mit ihrem Allrad einfacher als die 4x2 KVF, die jedoch wacker mithält. Bei schlammigen oder steinhaltigerem Flussbett braucht man hier neben starken Nerven auch mehr Schwung um ein Steckenbleiben zu verhindern. Die 4x4 lässt sich selbst durch klitschige, größere Gesteinsbrocken dank ihrer Differentialsperre nicht vom Vorwärtskommen abhalten. Unbeirrbar findet sie den Weg zum rettenden Ufer. Hinzu kommt noch die Bodenfreiheit von 22 cm, die lediglich um einen Zentimeter bei Beladung schmilzt. So lassen sich auch größere ungesehene Hindernisse im Wasser oder zu Lande leicht überwinden. Unsere grüne 4x4 KVF besitzt zusätzlich als Schutz für den Antriebsstrang vorne Kunststoffverkleidungen, die leider bei der der 4x2 fehlen. Hier muss zwar kein Antriebselement geschützt werden, aber die vordere Aufhängung könnte so vor Beschädigungen am Metallrahmen bewahrt werden. Bei beiden Modellen erscheint uns der Ölfilter nicht ausreichend geschützt vor Steinschlag oder Astwerk. Zwar ist er eingebettet in den Hauptrahmen, aber ein direkter Treffer von unten in die weiche Ölfilteraußenwand würde unbemerkt vom Fahrer den Motor den Garaus bescheren. Die Kawasaki Technik Abteilung hat dies bei Rückgabe der Testkandidaten mit Interesse zur Kenntnis genommen und reicht den Vorschlag einer zusätzlichen Kunststoffabdeckung an den Mutterkonzern nach Japan weiter.

Auf Herz und Nieren

Bei unserem Bremstest auf Asphalt von 70 auf 0 km/h bleiben beide Modelle im un- wie beladenen Zustand spurstabil ohne auch nur das geringste Anzeichen von Ausbruchsversuch. Mit Bremswegen von rund 18 Metern zählen die KVF- Modelle zu den besten ihrer Klasse.

Anders leider bei den Beschleunigungswerten. Hier schwächelt der wie anfangs schon erwähnt etwas elastizitätsarme Motor. Mit Werten von 15-16 Sekunden beim Sprint aus dem Stand auf 70 km/h mit und 12-13 Sekunden ohne Beladung hat man mit dem 360ziger Motor beim Ampelstart nicht viel zu lachen.

Pack-Up

Freudigere Gesichter aber gibt es bei den Gepäckträgern. Mit Haltenasen vorne und hinten lassen sich „Transportgüter“ aller Art auf den üppig dimensionierten Trägern universell befestigen. Der Gitterrohrrahmenbau lässt tausend und eine Möglichkeit zu. Auch wird das gute Handling der beiden Testkandidaten mit zusätzlichen 110 kg unwesentlich beeinträchtigt. Federungs- und Fahrkomfort bleiben gewohnt gut. Seitliche Hangfahrten beeindrucken die Stabilität des „Packesels“ dank Starrachse hinten so gut wie nicht.

Fazit

Beide KVF Modelle hinterlassen den guten Eindruck von Komfort und Alltagstauglichkeit. Ausladende Gepäckträger bieten viel Platz für alle möglichen Utensilien der Arbeit und der Freizeit. Die 4x2 Version stößt durch Abwesenheit eines zuschaltbaren 4x4 bei schwierigeren Geländeverhältnissen an ihre Grenzen, vermittelt aufgrund des geringeren Gewichts aber den größeren Fahrspaß. Vor allem auf Schotterpassagen und schnellgefahrenen trockenen Off Road Einlagen ist sie in ihrem Element. Im schweren Arbeitseinsatz dominiert klar die 4x4 Version. Kein Hang zu steil, kein Wasser zu tief und kein Einsatzwetter zu schlecht dank dem elektrisch zuschaltbaren 4x4 und der manuell zu bedienenden Differentialsperre vorne. Die Motorbremsleistung des CVT Antriebes ist bei beiden vorbildlich. Lediglich das Leistungspotential in Bezug auf Beschleunigung trübt den guten Gesamteindruck. Reicht dieses im Arbeitseinsatz völlig aus, vor allem durch die Möglichkeit einer Untersetzung bei beiden Modellen, vermisst man jedoch die Elastizität im Freizeiteinsatz. Hier kann auch der etwas quirligere Eindruck der 4x2 Version nicht abhelfen.

Die  1.200 Euro Aufpreis für das Off Road Paket lohnen sich also für diejenigen, die ihr Spaßmobil im harten Einsatz fordern. Für deutlich mehr freizeitorientierte und On Road ATVisten ist die 4x2 Version die bessere Wahl.

 

 

Copyright by Stefan Herbst