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 Kawasaki KVF 650 4x4 Testbericht

Die Kraft der zwei Herzen

Es begann alles 1997 als Yamaha mit der Grizzly 600 in eine bis dato nicht vorstellbare Motor-Dimension vorstieß. Alle Atvs bis dahin begnügten sich mit kleineren Triebwerken von bis zu 500 ccm. Was brauchte man mehr ?

Die Antwort aus dem Hause Kawasaki ließ fast 3 lange Jahre auf sich warten. Doch für den “Atvisten“ weltweit hat sich mit der KVF 650 das Warten gelohnt. Seit fast drei Jahren ist sie ein Vorzeige Utility Quad auch hier in europäischen Gefilden.

Ihr hervorstechendes technisches. Merkmal ist der typisch tief blubbernde, flüssigkeitsgekühlte Zweizylinder V-Motor mit obenliegender Nockenwelle .Die KVF 650 weist einen echten Hubraum von 633 ccm auf mit jeweils vier Ventilen je Zylinder. Und bringt eine Leistung bei 6.500 min –1 von 42 PS (30,9 KW). Kraftvolles Ziehen des Motors in allen Lebenslagen sind das Ergebnis. Anders als bei vielen Motorrädern gleicher Motormache sind die zwei Kolben in einem 90 Grad Winkel zueinander gesetzt. Geringere Vibration und niedrigerer Schwerpunkt sind das Ergebnis

Letzteres wird noch weiter durch die ungewöhnliche Position des 17 Liter fassenden Tanks mit integrierter Kraftstoffpumpe unterstützt. Vorne sucht man den nämlich vergeblich. Hinweis gibt nur ein Tankdeckel auf der rechten Seite am hinteren Ende der Sitzbank. Nicht ungeschickt angebracht - erleichtert doch die geringe Einfüllhöhe das „feldmäßige Betanken“ aus dem Reservekanister erheblich. Auch kommt sich selbstständig machender Treibstoff nicht in unfreiwilligen Kontakt mit eventuell noch heißen Motorteilen, sondern gleitet elegant an der Verkleidung nach unten . Nettes Sicherheitsschmankerl : bei einer Schräglage von mehr als 65 Grad legt ein Winkelsensor automatisch die Benzinpumpe und Zündung lahm.

Die „ Firsts „

Neben der Tatsache das erste mit zwei Zylindern bestückte Atv in der Branche zu sein ist es für Kawasaki auch gleichzeitig das erste mit zuschaltbaren 4x4 Antrieb und einer manuell zu bedienenden Differentialsperre mit begrenztem Schlupf ( LSD ) vorne. Die 650ziger lässt sich in jeder beliebigen Fahrstufe einschließlich eingelegtem Rückwärtsgang erneut starten, vorausgesetzt der Fahrer betätigt zuerst eine der beiden Bremsen.

Einmalig zum Zeitpunkt der Markteinführung war das elektronisch kontrollierte Bremssystem KEBC ( Kawasaki Engine Brake System). Es unterstützt den Fahrer wirkungsvoll bei Bergabfahrten und ergänzt die herkömmlichen Bremssysteme mit zusätzlicher Bremskraft , die der Motor erzeugt. Das KEBC wirkt bei einer Geschwindigkeit zwischen 3 bis 10 km/h. Fällt die Geschwindigkeit unter 3 km/h müssen die Muskelpartien verstärkt aktiviert werden , die Vorder- und Hinterradbremse betätigen. Bei steilen Abfahrten während der Testserie konnte auch durch Einlegen des Low-Getriebes die Elektrik nicht überlistet werden. Unter 3 km/h ists Schluss mit Unterstützung. Leider. Gerade bei steilen Passagen hätte man sich eine wirksame Unterstützung auch bei geringster Geschwindigkeit gewünscht. Ein Mikroprozessor hat hier aber unbeirrbar seine Hände im Spiel.Ein weiteres First ist die Ölbad-Mehrscheibenbremse hinten, die lebensverlängernd  vollkommen gegen die Unwirtlichkeiten der Natur abgedichtet ist.

Tracktest

Ein leichter Druck auf den E-Starter erweckt den Zweizylinder zum Leben. Das erste was wie Musik in den Ohren klingt, ist die kräftig dumpfbollernde staccatomäßige Einladung des Motors zur Testfahrt. Platznehmend auf der - auch für den Sozius bequemen , langgestreckten Sitzbank sowie reichlich Platz und Schutz bietenden Bodenplatten mit verstellbaren Fußrasten erweisen sich die Bedienungselemente für Atvisten als vertraut und gut erreichbar.

 Lediglich die Blinkerbetätigung macht keinen Spaß. Muss doch jedes Mal die linke Hand ganz den Lenker loslassen um  Richtungsänderungen anderen Verkehrsteilsnehmern anzuzeigen, die noch immer ein wenig unaufmerksam fahrend darüber grübeln was das denn „fürn vierrädriges... ähh Dingsda ist“. Der Umrüster hat hier bereits mit einer neuen Schaltereinheit nachgebessert.

Die Getriebeschaltung auf der rechten Seite lässt sich einfach von Neutral in die entsprechenden Fahrstufen schalten. Ein wenig umständlich ist das Umschalten in den Rückwärtsgang aus der Low Fahrstufe und wieder zurück. Gerade in kniffligen Off-Road Situationen wo Motor wie Fahrer leicht kochend vor sich hin schuften. Interessant dagegen das Sicherheitsfeature für die Fahrgeschwindigkeit im Rückwärtsgang. Um unfreiwilliges und unkontrolliertes Rückwärtsfahren zu verhindern gibt es eine Motordrosselung, die durch die Betätigung des Overdrive Schalters aufgehoben wird. Erst dann steht auch in Fluchtrichtung die volle Motorpower zur Verfügung.

Das digitale Cockpit mit Multifunktions-LCD-Display informiert sachlich über alles Notwendige obendrein auch über die Betriebsstunden des Quads.Nach dem Griff zum Gashebel heißt es festhalten. Erstaunlich wie der Motor mit Kraft ohne geringste Verzögerung von hinten schiebt. Kompliment Kawasaki. Eine  schier  endlose Power lässt die KVF 650 aus dem Stand in weniger als 7 Sekunden von 0 auf 70 km/h spurten. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei ungedrosselter Version bei gemessenen 105 km/h. Der zuschaltbare Allrad lässt sich laut Kawasaki Bedienungsanleitung nur durch Anhalten einlegen. Bei dem Test erwies sich jedoch eine Geschwindigkeit von weniger als 20 km/h für das Zuschalten als problemlos. Tatsächlich benötigt der dafür zuständige elektrische Stellmotor eine gewisse Spannung bis er von 2WD in 4WD oder umgekehrt schaltet. Ersichtlich ist dies im Display durch das verzögerte Umspringen der Anzeige.

Kommt es mal ganz Dicke, haben die Techniker bei Kawasaki mit einer Differentialsperre vorne vorgesorgt. Mit leichtem Zug an einem gelben Hebel vorne über der Feststellbremse wird sie aktiviert und beim Loslassen des selben deaktiviert. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist das bei den ersten malen schon. Ist der Überraschungseffekt verflogen, erweist sich das ganze als einfach und wirkungsvoll zu bedienen. In Action war sie zu erleben bei einer Flussdurchfahrt. Die Kawa blieb auf ein paar im Wasser nicht sichtbaren Steinen ( dazu noch später ) hängen und konnte sich Dank der Sperre schnell wieder befreien. Besonders in feucht fröhlichen Off-Road Situationen erweist sie sich als wahrer Freund und Helfer.

Aufgrund des Atv- typischen fehlenden  Ausgleichsdifferential hinten ( wir erinnern uns : kurveninneres Rad läuft langsamer als kurvenäußeres Rad , um einen Ausgleich zu schaffen gibt’s das Differential mit dem Nachteil dass wenn ein Rad keine Bodenhaftung mehr hat es trotz ausreichender Drehzahl hemmungslos Gummi verdampft während das andere meist auf festen Untergrund stehend eine Pause einlegt mit der Folge das sich in Sachen Vorwärtskommen gar nichts mehr tut) meistert die KVF 650 die Teststrecke im 2WD auf feuchtlehmigen Untergrund ohne Probleme auch Dank des aggressiven Profils der Pneus. Dort wo jedoch der Lehm eine echte Symbiose mit Wasser eingegangen ist und man froh ist ein wenig höher als das Fußvolk zu sitzen tuts Ross und Reiter ganz gut den Allrad zuzuschalten und somit dem Hintermann die Fangopackung zu ersparen. Nachdem sich die Reifen wieder Luft gemacht haben und den unnötigen Ballast losgeworden sind sieht der Fahrer im Allgemeinen oft so aus als hätte zwischen ihm und den Reifen ein Rollentausch stattgefunden. Reifenprofil sauber, Fahrer „ Dampfstrahler ich komme“ . Diese Szenario bleibt dem Fahrer der KVF erspart. Die wichtigen vorderen und hinteren Schmutzfänger sind gut dimensioniert und verhindern die Bekanntschaft mit dem gerade befahrenen Untergrund.

 Die Ölbad-Scheibenbremse hinten bleibt Dank ihrer völligen Kapselung lebensverlängernd im Einsatz. Öl deshalb um Abriebpartikel der Bremsklötze zu entsorgen und eine bessere Wärmeabsorbierung zu schaffen. Sie packt in brenn(m)slichen Situationen in Kombination mit den vorderen zwei Scheiben kräftig zu und zwar derart das Fahrer gut daran tut die Arme kräftig in den Lenker abzustützen.  Zusätzlich ist sie durch ein Alu-Bodenblech , wie auch der ganze Motorblock und das vordere Differential, nach unten hin geschützt. Das Leichtmetall rutscht leider im Gegensatz zum Konkurrenten Kunststoff nicht so einfach wieder von Geröll, Baumstümpfen oder anderen Hindernissen die sich unter der KVF festgekeilt haben  Das dieser Unterbodenschutz nicht nur Optik ist sondern auch eine ganz praktische Seite hat erwies sich wie oben schon erwähnt beim mehrmaligen Durchfahren eines kleinen Flusses .. Eine deftige Verformung des Bleches hinten blieb glücklicherweise der einzige Zeuge eines Testabschnitts als das ATV mitten im Geschehen einen unfreiwilligen Stop in der Flussmitte einlegte.

Eintauchen kann die KVF in die Unterwasserwelt der Fische allerdings nur bis maximal Einlass des Luftfilters. Als optische Orientierung kann hier die Unterkante der Sitzbank genommen werden. Bereits hier ist der Auftrieb der vier Reifen zu spüren. Also Vorsicht walten lassen bei Wasserdurchfahrten.  Die Bodenfreiheit von gemessenen 20 cm bei aufgesessenen Fahrer ist ausreichend in allen gefahrenen Tests, verringert sich aber bis auf X cm bei voller Beladung.

Die Kraft eines Motors wäre nicht problemlos einzusetzen ohne ein gut abgestimmtes Federungspaket. Vorne erledigen das bei dem Testmodell zwei leider nicht verstellbare MacPherson Dreieckslenker mit 170 mm Federweg. Hinten gibt’s ein Schwinge mit 184 mm Federweg. Der Einzelgasdruckdämpfer ist in seiner Dämpfungsstärke stufenlos verstellbar. Dazu ist ein Hakenschlüssel notwendig, der sich im Bordwerkzeug befindet.

Das Verstellen erwies sich als nicht besonders einfach. Mehrmals rutschte der Schlüssel ab bzw. konnte nicht genug Kraft zum Lösen der Verstellschrauben aufgewandt werden . Dieser Versuch wurde erfolglos nach 10 Minuten abgebrochen. Der Griff zum Profi-Werkzeug ist angeraten.

Die vordere Federungskultur erweißt sich nur im Extrembereich als etwas zu weich abgestimmt. Spätestens bei der Montage von schweren Arbeitsgeräten wie Kehrmaschine oder Mäher vorne wünscht man sich eine härtere Federung bzw. verstellbare Federbeine. . Sprünge von 1- 1,5 m Höhe steckt die Kawa jedoch problemlos weg. Im Hinterkopf sollte man sich bei derartigem Einsatz immer behalten , das es sich nicht um ein reinrassiges Sportquad handelt sondern einen Allrounder.

Nichts desto trotz unterstreicht das für die KVF 650 geschnürte Federungspaket ihren sportlichen Charakter. Es macht enorm viel Spaß mit ihr um die Ecken zu räubern und die Hinterräder dazu zu animieren Airborne zu gehen oder stehend über alle Unebenheiten der Fauna und Flora zu reiten. Gerade für letzteres ist die KVF 650 wie geschaffen. Die Bodenbleche geben dem geparkten Schuhwerk in diesen Situationen guten Halt nach allen Seiten. Auch sind sie so groß dimensioniert dass ein Sozius ebenfalls noch Platz findet, ohne dass der Vordermann( -frau) beständig mit dem Bremspedal zu kämpfen hat.

Der Verbrauch von Minimal 11,4 bis maximal 15  Liter Super oder wahlweise Normalbenzin im Drittel auf 100 km Mix ( Off Road, Überlandfahrt, Stadt ) hält sich für einen vierrädrigen Stollenbeißer in erträglichem Maße. Das nächste Tanken sollte dann spätestens nach 130-140 km Wegstrecke eingeplant werden. Zu Achten ist auf das Info Cockpit das durch Digitalanzeige den 17 Liter Inhalt des Tanks erstaunlich exakt angibt und mit blinkender Lampe warnt, dass man sich bereits im Reservebereich befindet. Den berühmten Griff zum Benzinhahn nachdem der Motor durch Husten und Stottern den Nachschubengpass bereits anzeigt hat, erspart man sich hier

Das 25 Zoll stollige Schuhwerk von Dunlop ließ während der Testfahrten nichts zu wünschen übrig. Ob Straße oder Off Road souverän verleiht es der Kawasaki die nötige Bodenhaftung und ermöglicht ein einfaches Handling.

Fazit

Mit der KVF 650 ist Kawasaki auf Anhieb ein guter Wurf im Bereich Utility ATV gelungen. Kernstück ist der Zweizylinder V Motor der Durchzugskraft in allen Einsatzbereichen aufweist. Ob Sportliche Gangart oder purer Arbeitseinsatz beides lässt sich mit diesem ATV ohne Wiederspruch vereinen. Letzteres wird noch durch den niedrig sitzenden Schwerpunkt unterstrichen. Die komfortable Sitzposition auf der langgestreckten Sitzbank sowie gut angeordnete Bedienelemente und das einfache Handling laden zum Cruisen auch mit Sozia ein.

 

 

Copyright by Stefan Herbst