Home
Quadberichte
Quadjournal.de
Impressum

DieATVGarage

Vergleich Kawasaki BF 750 / Suzuki King Quad 700

Die Herausforderung

    • Kaum wurde die Brute Force 750 von Kawasaki vorgestellt, brachte der ATV-Kooperationspartner Suzuki sein neues Flaggschiff King Quad 700 an den Start. Ein Einzylinder mit Einspritzsystem fordert in unserem Vergleich einen Zweizylinder mit 54 ccm größerem Hubraum heraus. Unfairer Vergleich? Das Testergebnis war eindeutig.
    • Motorkraft ist durch nichts zu ersetzen. Stimmt. Eine ganz andere Frage aber ist, ob man die auch auf den Untergrund umsetzten kann. Ein nicht zu unterschätzender Faktor in einem Vergleich wie diesem, ist auch das Fahrverhalten bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Um den Gesamtsieg stritten unsere beiden Kontrahenten daher in den Bereichen: Motorleistung, Geländegängigkeit und Komfort.
    • Der Name des Herausforderers, King Quad, ist keine Neuschöpfung von Suzuki. 1987 erblickte der Vorläufer der 700er das Licht der Welt. Schon damals war das King Quad königlich mit einer Einzelradaufhängung und permanenten Allrad ausgestattet. Vier Jahre später gab es die Möglichkeit einer Untersetzung und des zuschaltbaren Allrades. 2002 kam dann, wegen mangelnder Nachfrage, das Aus für die Modellreihe King Quad. Suzuki hatte versäumt den stetig wachsenden ATV-Markt mit einer zeitgemäßen Überarbeitung ihres einstigen Erfolgsmodells zu versorgen. Der Versuch mit den Modellen Quadmaster und –runner den Erfolg zu wiederholen war gescheitert. Erst mit der Vinson 500, und dann mit der 700er King Quad zeigte Suzuki, dass sie es immer noch können. Der flüssigkeitsgekühlte Einzylinder 4-Takter mit zwei oben liegenden Nockenwellen und 4 Ventilen leistet bei 695 ccm Hubraum knapp 50 PS. Er ist mit einem Einspritzsystem (EFI= Electric Fuel Injection) versehen und braucht beim morgendlichen Startvorgang daher keinen Choke mehr. Das ECM (Suzuki Electronic Control Module) benutzt verschiedene Mess-Sensoren im und um den Motor zur Optimierung der Einspritzung und Zündung via 16bit Prozessor. Um den Schwerpunkt möglichst tief zu halten ist der Kolben 48 Grad nach vorne geneigt. Die Sitzhöhe konnte so nach unten verlegt werden. Aus dem gleichen Grund ist der Tank aus der Position vor dem Fahrer nach hinten unter die Verkleidung verlegt worden. Eine Kraftstoffpumpe sorgt sich nun um den Spritnachschub. Der Lufteinlass mit Luftfilter zur Beatmung des Verbrennungsraums sitzt nun stattdessen zwischen den Knien des Piloten.

       

      Kawasaki betritt mit seiner Brute Force 750, zumindest was das Chassis mit Einzelradaufhängung angeht, Neuland. Bisher gab es nur ATV-Modelle mit Starrachse. Um den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren und ebenfalls auf vielfachen Kundenwunsch entschied man sich für die Entwicklung einer Einzelradaufhängung, IRS (Independant Rear Suspension) genannt. Der flüssigkeitsgekühlte V-Zweizylinder, ohne EFI, ist eine logische Weiterentwicklung der bekannten 650er bzw. 700er Motoren aus den beiden erfolgreichen Vorgängern der KVF-Serie. Waren die schon bekannt für ihre urgewaltige, sofort zur Verfügung stehende Motorkraft, so übertrifft sie der neue 749er Motor, zwar nicht um Längen, aber doch spürbar. 51 PS mit 60,7 Nm schöpft die doppelherzige Kraftmaschine aus den Verbrennungsräumen. Wo man eigentlich den Tank vermutet hätte liegen jetzt der Luftfilter und die begradigten Lufteinlässe für die Frischluftzufuhr zu den beiden Vergasern. Aus den gleichen Gründen wie bei der Suzuki ist der Tank nach hinten verlegt worden.

       

      Kraftwerke

      Unabhängig von der geringen Außentemperatur startete das EFI Triebwerk unseres Suzuki Testmodells problemlos. Erstaunlich war,mit welcher Laufruhe es auf seinen Einsatz wartend vor sich hin blubberte. Den Gashahn mit dem Daumen ganz durchgedrückt nahm die 700er nach dem Warmlaufen spritzig Gas an ohne sich aufbäumen zu wollen. Gleichmäßig katapultierte der Einspritzer die King Quad vorwärts. Erst vor der Höchstgeschwindigkeit von knapp 105 km/h ließ die Vehemenz der 700er ein wenig nach. Der Motor wurde klar für untere und mittlere Drehzahlen optimiert. Sich in diesen Drehzahlbereichen bewegend ist die King Quad sehr sportlich zu fahren, kommt aber an die Beschleunigungswerte der Brute Force nicht heran. Die zieht aus dem Stand heraus auf und davon. Doch wesentlich ruppiger als die 700er spricht der 750er Zweizylinder an. Vollgasgeben bei der Kawa produziert immer auch, ob nun gewollt oder nicht, einen Wheelie mit gezwungener Gasrücknahme. Ist die Brute Force einmal in Bewegung gekommen, ist gegen sie kein Kraut gewachsen. Entsprechend ihres Namens zerrt sie Chassis mit samt dem Fahrer brutal nach vorne. Und der Kraftnachschub scheint gar nicht mehr versiegen zu wollen. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei unserem Testmodell bei 112 km/h. Besonders bei hohen Geschwindigkeiten auf Schotter mit Kurveneinlagen läuft die Suzuki jedoch angenehmer und spursicherer. Die Brute Force wirkt im direkten Vergleich nervöser. Erst mit zugeschaltetem Allrad konnte sie ihre Motorüberlegenheit voll ausspielen und ließ die King Quad im Staub zurück.

      Abseits der Straße

      Nicht ganz unbeteiligt am besseren Abschneiden der King Quad beim Kurvenverhalten war die Einzelradaufhängung mit ihren Stabilisatoren auf der Hinterachse. Die konnten zwar das für Einzelrad aufgehängte ATVs typische Eintauchverhalten bei Kurvenfahrten auch nicht ganz abstellen, aber sie verrichteten eine bessere Arbeit als die der Brute Force. An das Driftpotential eines mit einer Starrachse ausgestatteten ATVs reicht das der King Quad jedoch nicht heran, trotzdem ließ es sich mit ihr präziser durch die Kurven fliegen. Das King Quad ließ sich auch im beladenen Zustand sicher manövrieren, eine der Beladung angepasste Geschwindigkeit vorausgesetzt. Weiter auseinander liegende Bodenunebenheiten bei höheren Geschwindigkeiten schluckt die 700er ohne Probleme. Auch Unebenheiten im kurzen Abstand zueinander wurden noch befriedigend abgefedert, ohne dass Schläge, so wie bei der 750er Kawasaki, durch den Lenker an den Fahrer weitergegeben werden. Bei Beladung merkt man der Kawasaki den höheren Schwerpunkt nicht mehr so stark an. Auch sie lässt sich sicher mit der Maximalbelastung von 120 kg bewegen. Die Bremsanlagen beider ATVs hatten keine Probleme mit der zusätzlichen Last.

      Suzuki wie Kawasaki setzten auf Untersetzungsmöglichkeit sowie zuschaltbaren Allradantrieb mit einer ebenfalls zuschaltbaren Vollsperrung des Vorderachsdifferentials. Bei Suzuki erfolgt das durch einen Stellmotor per Knopfdruck, bei Kawasaki durch einen mechanischen Seilzug am linken Lenkergriff. Beide Systeme brachten die ATVs aus jeder im Test gefahrenen Situation problemlos heraus. Für trialmäßige Verhältnisse eignete sich die Suzuki jedoch besser. Ihre leichtere Lenkung sowie der niedrigere Schwerpunkt brachten den Fahrer nicht halb so ins Schwitzen wie das bei der Kawasaki der Fall war. Eine Fliehkraftkupplung sorgt bei dem King Quad in solchen Passagen außerdem für eine höhere Lebenserwartung des Antriebriemens. Bei der Bodenfreiheit punktet dann die Kawasaki wieder. Zwar nur mit einem Zentimeter, doch ist der häufig der Grund für ein besseres Weiterkommen.

       

      Komfortzone

      Besonders kleineren Fahrern bereitet die Sitzhöhe bei der Brute Force Probleme. Zunächst gilt es für die den Aufstieg auf die Fußrasten zu bewältigen. Ist das geschafft geht es weiter zum Gipfel. Dort wird man dann durch eine (Aus-) Übersicht sowie Sitzbank vom Feinsten belohnt. Nicht zu weich und auch nicht zu hart. Lang genug und komfortabel auch für die Sozia. Der Lenker ist zum Fahrer geneigt. Alle Bedienungselemente sind gut zu erreichen. Die Bedienung des Differentialhebels mit einen oder zwei Fingern ist reine Gewöhnungssache, aber nicht jedermanns Fall.

      Nicht dass die Suzuki unbequem wäre, doch das Niveau der Kawasaki erreicht sie nicht. Dafür ist das „Kissen“ vorne schön schmal geschnitten, um den körperbetonten Einsatz bei der Kurvenhatz oder beim ATV-Trial zu unterstützen. Die Sitzbank beim King Quad ist eher für den Solo Einsatz gedacht. Die Sozia wird es im Vergleich zur Sitzbank der Brute Force auf längeren Touren nicht ganz so bequem haben.

      Alle Bedienungselemente der 700er sind einfach zu erreichen und geben keine Rätsel auf. Der Digitaltacho lässt sich auch bei Sonneneinstrahlung gut ablesen.

       

      Fazit

      Kein Geheimnis braucht man aus der überwältigenden Motorkraft der Kawasaki zu machen. Da hält weder eine 700er Polaris, geschweige denn eine 700er Suzuki King Quad etwas dagegen. Doch für diese urgewaltige Kraft muss ein hoher Preis bezahlt werden. Abgestimmt wurde die Federung der Brute Force deutlich für den Geländeeinsatz bei niedrigeren Geschwindigkeiten. In diesem Bereich gibt es keine Probleme. Die tauchen erst dann auf, wenn man die Brute Force schneller und vor allem in Kurven hinein bewegt. Sie stellt sich hierbei schneller auf, als die Suzuki. Deutlich zugelegt hat Kawasaki beim Sitzkomfort. Als kraftstrotzende Reisemaschine, auch zu zweit, ist die Brute Force 750 wärmstens zu empfehlen.

      Das Suzuki King Quad 700 kann zwar nicht, was die reine Motorkraft anbelangt, mithalten, dennoch ist sie der Brute Force in einigen Disziplinen ebenbürdig, teilweise sogar überlegen. Im Gelände bei höheren Geschwindigkeiten und auf kurvenreichen Strecken kann sie durch das bessere und einfachere Fahrverhalten besser punkten. Besonders bei Hangquerfahrten ist sie mit ihrem geringeren Schwerpunkt deutlich überlegen. Das Mehr an Motorkraft kann die Kawasaki hier nicht mehr ausspielen. Nur auf langen Geraden unterliegt die Suzuki dem Extra-Zylinder der Kawasaki. In Bezug auf die Einzelradfederung im Geländeeinsatz bei geringeren Geschwindigkeiten zeigt sich das Suzuki King Quad der Kawasaki ebenbürdig. Bei der Reisetauglichkeit unterliegt sie jedoch im Bereich Sitzkomfort und Sitzergonomie der Brute Force.

      Wer hat nun diesen Vergleich gewonnen? Wir sagen es kommt auf den Blickwinkel an. Wird das ATV überwiegend als Straßenkreuzer eingesetzt, siegt die Kawasaki Brute Force in den Klassen Motorleistung und Komfort. Aus dem Blickwinkel Gelände jedoch ist das Suzuki King Quad die definitiv bessere Wahl.

       

Copyright by Stefan Herbst