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Thema: Test Yamaha Grizzly 700 FI

Der Bär ist los

Yamaha präsentiert sein neustes ATV-Flagschiff Grizzly 700 4x4 FI. Neben der Einspritzanlage wartet der neue Bär mit einer erfrischend anderen Neuheit auf

 

Während der Bär Bruno durch seine Streifzüge in den Alpen die Gemüter der Europäer bewegt, bewegt die geladene europäische Fachpresse zur gleichen Zeit in Polen auf einem Militärübungsgelände eine ganz andere Art von Bären. Die neue Grizzly 700 FI mobilisiert jetzt 46 Pferdestärken. Das sind gegenüber dem Vorgängerbären 5 PS mehr. Die Leistung schöpft sie aus 686 Kubik Hubraum. Ein Plus von 26 Kubik. Eine Benzineinspritzanlage sorgt für noch bessere Energieausbeute und damit für einen potenteren Antritt des flüssigkeitsgekühlten Einzylinders. Der Motor, der zuerst in dem neuen Yamaha Quadmodell YFM 700 R vorgestellt wurde, ist im ATV-Verwandten um ein paar PS eingebremst – soviel hatte man uns dann doch verraten. Aufgrund der größeren Kraftentfaltung des Motors sind die Antriebswellen und dazugehörige Technik verstärkt. Mehr Kraft bedeutet auch höhere thermische Werte. Ein in der Oberfläche gewachsener Kühler kompensiert den Temperaturanstieg. Der jetzt nach vorne gerichtete Ölfilter unterstützt ebenfalls. Vier Scheibenbremsen nehmen sich bei der neuen Grizzly der Negativbeschleunigung an. Obwohl die Sitzhöhe um 2,5 Zentimeter erhöht wurde, sinkt der Schwerpunkt der 700er Grizzly durch die veränderte Tanklage deutlich. Der Tank sitzt jetzt mit seiner Benzinpumpe und seinem 20 Liter großen Fassungsvermögen unter der Sitzbank und nicht mehr am fast höchsten Punkt des ATVs, wie beim Vorgängermodell 660. Stattdessen findet man hier neben einem kleinen 4,8 Liter großen Staufach den Luftfilter sowie den Ansaugstutzen zur Be- und Entlüftung der Variomatik. Ein weiteres Staufach mit 3,5 Liter Staukapazität à la King Quad befindet sich vorne am rechten Plastikflügel. Um die ungefederten Massen möglicht gering zu halten sind neben den Alufelgen auch die Achsschenkel in Alu-Leichtbauweise gehalten. Ein neues Muster soll den Dunlopreifen mehr Gripp verleihen. Die neue Grizzly 700 weißt eine durchgehende Bodenfreiheit von 27,5 cm auf. Um die auch möglichst auf der ganzen Breite unter dem ATV umzusetzen, hat man die vorderen A-Arms entsprechend umgestaltet.

 

Fahreindrücke

 

Gebaut für den komfortverwöhnten amerikanischen Trailrider. Das ist der erste Eindruck den ich gewinne, sobald ich zum ersten Mal auf der neuen Grizzly 700 mit ihrer üppig gepolsterten Sitzbank platznehme. Auch der zum Fahrer geneigte hohe Lenker unterstützt die bequeme Sitzposition. Die Augen werden durch das neu gestaltete und aufgeräumte Digi-Display verwöhnt. Gewöhnungsbedürftig ist das etwas schlappe Startverhalten des Bären – und das trotz der Einspritzung. Bei beiden Vorserien Test-ATVs, auf denen  ich während des insgesamt zweitägigen Tests im Sattel sitze, dauert es definitiv ein paar Orgelumdrehungen zu lange, bis der E-Starter das Triebwerk im kalten Zustand zum Laufen bringt. Warmgelaufen geht’s dann aber umso einfacher. Die Schaltkulisse mit High, Low, Neutral, Reverse und Park optisch verändert ist, lässt sich butterweich schalten. Dass Yamaha immer noch an dem Sicherheitsfeature des Tretens der Fußbremse zum Schalten des Wahlhebels statt zum Beispiel an einer der beiden Handbremshebel festhält, rächt sich am ersten Schlammloch für mich bitter. Schaffen es noch knapp zwei ATVs vor mir die schwarze Brühe zu durchqueren, streikt mein Bär trotz Allrad und Differentialsperre. Zu tief sind bereits die gefahrenen Furchen unter Wasser. Um den Rückzug anzutreten muss nun mein rechtes Bein bis zum Knie im Wasser nach dem Fußbremshebel fischen. Klar und unausweichlich was jetzt kommt: Wassereinbruch im Steuerbordstiefel. Eine Seilwinde rettet schließlich die Situation und mich auf meinem Bärenfreund aus der misslichen Lage. Die Füße sind trotzdem schon nach den ersten zehn Testminuten pitschnass. Wenigstens die Elektrik, gut geschützt von Kunststoff unter dem vorderen Gepäckträger, ist trocken geblieben.

Die nachfolgenden Pisten mit ihren weiten sandigen Bodenwellen gesäumt von duftenden Kiefernwäldern meistert Meister Petz bei jeder Geschwindigkeit bestens und vor allem sicher kontrollierbar. Das Fahrwerk mit vorne 180 und hinten 230 mm Federweg schluckt kleine und große Hindernisse sowie Löcher und Querrillen komfortabel. Der Sitz erweist sich bei forscher Fahrweise mit ständigen Gewichtsverlagerungen in Kurven mit seinem dicken weichen Schaumstoffpolster als hinderlich. Dafür machen sich die filigrane Beweglichkeit und das superbe Handling – der Radstand wurde zum Vorgänger um 2,5 Zentimeter verkürzt -äußerst positiv bemerkbar. Im Gegensatz zu großhubigen Mitbewerbern setzt Yamaha mit der 700er konsequent auf geringes Gewicht, tiefen Schwerpunkt und damit auf die Möglichmachung der erfahrenen großen Agilität.

 

Überraschung

 

Yamaha überrascht mit einer Weltneuheit in seinem ATV. Das EPS (Electric Power Steering) – zu Deutsch: Servolenkung - wurde erstmals verbaut. Und was bringt das? Das, was es auch im Automobil bringt. Kraftsparende Lenkbewegungen - sehr von Vorteil in unserem deutschen Asphaltdschungel. Je schneller die Grizzly unterwegs ist, desto mehr wird unangenehmes Verreisen des Lenkers durch Bodenunebenheiten spürbar aufgefangen. Das EPS wirkt wie ein Lenkungsdämpfer. Nachteil: Beim Schieben des ATVs ohne laufenden Motor ist die Lenkung alles andere als leichtgängig.

Nach der Pistensause biegt unser polnischer Guide gefolgt von uns Testern in ein kilometerweites Spielplatz-Eldorado ab. Große und kleine Sandlöcher von bis zu 20 Metern Tiefe soweit die Augen reichen. Hier beweist sich die Grizzly 700, wie das lebendige Vorbild, als wahrer Kletterkünstler. Schon die 660er habe ich von unserem großen ATV-Vergleich auf den damals gefahrenen Trialstrecken sehr gut in Erinnerung. Die 700er toppt das noch durch ihren jetzt tiefer liegenden Schwerpunkt. Mit Unterstützung des zuschaltbaren Allradantriebes und der bei Bedarf zuschaltbaren Differentialsperre kämpft sich der Bär unermüdlich und unaufhaltsam durch die gebotene Kraterlandschaft. Die Motorbremse arbeitet bei allen Bergabpassagen vorbildlich. Eine Hinzunahme der vier Scheibenbremsen entfällt auch bei steilsten Hängen in der Untersetzung (fast) völlig.

Insgesamt 110 Kilometer Strecke lege ich mit der neuen Grizzly 700 am langen siebenstündigen zweiten Testtag zurück. Der gemessene Verbrauch von rund 12 Liter pro 100 Kilometer hält sich bei den örtlichen Offroadanforderungen in Grenzen. Zumal sich bei jeder bietenden Gelegenheit das Daumengas wie von selbst immer in der Vollgasstellung befindet. Den Sprint auf 70 km/h absolviert die 700er in knapp unter 5 Sekunden. Auf befestigten Wegen sollte die vier vor dem Komma deutlich in greifbare Nähe kommen. Interessant bei den Beschleunigungsversuchen ist ein erneut spürbar einsetzender Schub bei zirka 82 km/h. So, als würde der Einzylinder noch einmal zusätzliche Leistung abrufen. Ich find’s klasse.  Der gemessene Toppspeed auf den polnischen Schotterpisten liegt bei 105 km/h. Auch hier geht mit dem Bären auf Asphalt sicherlich noch mehr.

 

Fazit:

Das Klassenziel ein leichtes und dennoch großes ATV mit mehr Leistung als den Vorgänger auf die Tatzen, pardon, Räder zu stellen ist Yamaha mit der 700er Grizzly gelungen. Federung, Fahrzeuggewicht, Motorisierung und nicht zuletzt das EPS harmonisieren hervorragend zusammen. Doch die Tücke steckt wie so oft im Detail. Der weiche Sitz ist des guten zu viel – zumindest wenn man die sportliche Seite des Bären nutzt. Das Sicherheitsfeature Fußbremse trüben die sonst hervorragende Handlichkeit und die extreme Geländegängigkeit der Grizzly 700.

 

 

Technische Daten Yamaha Grizzly 700 4x4 EFI

 

Motor

Typ                                          flüssigkeitsgekühlter Einzylinder 4-Takt

Hubraum                                 686 ccm

Leistung                                  45,9 PS

Startsystem                            E- und Seilzugstarter

Verbrauch                               12 Liter/100 km (QW)

Beschleunigung 0-70 km/h     4,86 sek (QJ)

Höchstgeschwindigkeit            116 km/h(QJ)

 

Kraftübertragung

Antrieb                                    4x2, 4x4 Kardan

Getriebe                                  Automatik+ R

Übersetzung                           High, Low

 

Fahrwerk

Federung vorne               Einzelradaufhängung

Federung hinten              Einzelradaufhängung

Bremssystem v / h                 2 hydrl. Scheiben/ 2 hydrl. Scheibe            

Reifen v/h                              25x8-12 / 25x8-10

Bremsweg 70-0km/h              k.A.

 

Maße / Füllmengen

L/B/H                                       2065 x 1180 x 1240 mm

Radstand                                1250 mm

Sitzhöhe                                 905 mm

Leergewicht                             274 kg

Tankinhalt                               20 Liter

Preis / Garantie

 

Preis    ohne Str.-Zulassung   10.290,- Euro   

Garantie                                  2 Jahre

Farbe                                      blau, grün, rot, camo

Bezugsquelle:

 

YAMAHA Motor Deutschland GmbH

Hansemanstr.12

D-41468 Neuss

Tel. : +49/(0)2131/2013-340

www.yamaha-motor.de 

 

Off Road-ABC

Antrieb                        4x2, 4x4 Kardan

Bodenfreiheit              27,5 cm (QW)

Differentialsperre                   ja

Untersetzung                          ja

Watttiefe                                80 cm

Wendekreis                            7 m (QW)

 

Copyright by Stefan Herbst